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Kapitel 7
Der Zusammenbruch !!
Samstag, 01. Februar, 1997, ca. 19.20 Uhr. Anke will aufstehen, möchte
zur Toillette. Was nun geschehen sollte wünsche ich niemandem, nicht meinem
ärgsten Feind!.
Mit meiner Hilfe gelingt es Anke aufzustehen, wir gehen Richtung Toillette.
Unser Flur ist ca. neun Meter lang, die Toillette befindet sich am Ende, rechts.
Wir sind auf der Hälfte, ich gehe hinter ihr her. Auf der Hälfte des
Weges sagt sich plötzlich: Schieb`mich bitte weiter, ich sehe nichts
mehr!" - sackt etwas zusammen. Meine ersten Gedanken waren Kreislaufprobleme,
schaffe es sie bis zur Toillette zu tragen, zu schieben. Dort angekommen fällt
sie auf den Sitz, liegt seitlich an der Waschsäule. Schweiß steht
ihr auf dem Gesicht, sie zittert. Ich spreche sie an, monoton sagt sie wieder
und wieder, : ich sehe Dich nicht, höre Dich." Panik bricht
in mir aus, versuche ruhig zu bleiben. Schnell greife ich zu einem Handtuch,
mache es naß, lege es ihr über die Stirn, über die Schläfen,
zwei weitere wickle ich um die Handgelenke, über den Puls. Ich sehe Dich
nicht, höre Dich, sagt sie immer wieder, ganz monoton, es macht mir große
Angst. Ich schreie sie an, versuche sie wach zu halten, nein sie darf jetzt
nicht ohnmächtig werden, halte sie wach, rede ich mir ein. Wo ist das Telefon
frage ich mich, im Wohnzimmer, ich klemme sie so ein das sie nicht herunterfallen
kann, rase zum Telefon, zurück, wähle die 112, kurz und knapp schildere
ich was geschehen ist, die Vorgeschichte, wir sind schon unterwegs, danke, lege
auf. Ich schlage sie regelrecht auf die Wangen, spreche sie weiter an, will
sie unbedingt wach halten. Immer wieder diese monotone, ich sehe Dich nicht,
höre Dich aber. Anke du darfst nicht sterben schießt es mir durch
den Kopf, nein bitte nicht !!
Dann endlich, nach, ich kann es nur vermuten, 7 - 8 Minuten die Türschelle,
ich drücke den Öffner. Die in Bereitschaft stehende Ärztin aus
unserem Ort kommt die Treppe herauf, vorab informiert durch die Leitstelle,
so vermute ich. Als sie Anke so, auf der Toillette eingeklemmt da sitzen sieht,
wie sie aussieht, wird auch die Ärztin nervös. Sie versucht, ich gestehe
ein in dieser Situation nicht einfach, das Blutdruck Meßgerät anzulegen,
gelingt nicht. Wir versuchen gemeinsam Anke irgendwie von der Toillette herunter
zu heben, ziehen, keine Chance, nicht möglich. Völlig in sich zusammen
gesackt hängt sie geradezu fest. Dann plötzlich wieder die Türschelle,
ich öffne. Ein Notarzt kommt die Treppe herauf gelaufen. Er schiebt die
Ärztin beiseite, versucht Anke hochzuheben, nicht möglich. Können
Sie mir helfen, fragt er mich. Ohne zu antworten fasse ich an, schaffen mit
letzter Kraft Anke auf den Badezimmer Teppich zu legen. Auf diesem liegend,
ziehen wir sie dann in den Flur. Sofort beginnt er mit der Untersuchung. Ich
werde fast verrückt vor Sorge, was geschieht hier, was ist mit Anke geschehen,
weiß es nicht, bete! Wieder die Türschelle, ich öffne, ein weiterer
Notarzt kommt herauf, kümmert sich auch um Anke, legt eine Infussion an.
Ich stehe hilflos daneben. Die Ärztin, welche als Erstes vor Ort war fragt
mich plötzlich nach Ankes Chipkarte, die hat wohl Ne `Macke denke ich.
Anke liegt da auf dem Boden, zwei Ärzte kämpfen um sie, und diese
Person hat nichts anderes im Sinn als nach der Chipkarte zu fragen, denke ich,
sage aber nichts, gebe sie ihr. Danach geht sie, gut so! Die Ärzte haben
Anke zwischenzeitlich transportabel gemacht, bringen sie nach unten in den großen
Rettungswagen. Jetzt sehe ich das dahinter auch der kleine Rettungswagen steht,
daher auch die unterschiedlichen Zeiten des Eintreffens. Ich will mit in den
Wagen, man läßt mich nicht, laufe um den Wagen herum, will sehen
was sie machen, wie es Anke geht, lebt sie noch? Nach unendlicher Zeit, ich
denke es waren so zwanzig Minuten, die Tür öffnet sich, Ihre Frau
ist jetzt einigermaßen stabil, wir bringen sie in das Klinikum, kommen
Sie in ca. einer Stunden nach, Sie können jetzt sowieso nichts machen,
sagt man mir. Wird sie überleben, frage ich. Der Arzt schaut mich an, es
ist schon sehr ernst, antwortet er, sieht so aus als hätte sie eine Lähmung
auf der linken Seite, schließt die Tür, rast mit Blaulicht davon.
Es ist so gegen 20.00 Uhr. Ich stehe zitternd, hilflos, alleine auf der Straße,
sehe ich meine Anke lebend wieder?
Langsam gehe ich zurück in die Wohnung, greife zum Telefon, versuche ein
befreundetes Ehepaar zu erreichen, Gabi und Wolfgang. Beide arbeiten in dem
gleichen Hotel in dem Anke tätig ist, war. Ich habe Glück, Gabi hat
gerade Feierabend, erzähle kurz und knapp, weinend, was geschehen ist.
Ich komme sofort", legt auf. Danach rufe ich bei Ramona an, eine
Freundin von Anke, frage sie doch bitte Susi abzuholen, sage auch ihr was mit
Anke ist, bin schon unterwegs, ist ihre Antwort. Ich sitze in der Küche,
zusammengekauert, kann meine Gedanken nicht ordnen. Nach einer Weile schellt
es, Gabi ist da. Ich erzähle ihr von dem Zusammenbruch, sie versucht mich
zu beruhigen. Dann kommt Ramona, das Gleiche. Zusammen gehen wir aus dem Haus,
fahre neben Gabi sitzend, selbst fühlte ich mich nicht in der Lage, in
das Klinikum. Auf dem Weg bete ich, immer wieder sage ich zu Gabi: Anke
darf nicht sterben, sie muß überleben!" Das schafft sie schon,
versucht sie mich zu beruhigen. Anke ist eine starke Frau, sie hat schon viel
eingesteckt, weggesteckt, auch dieses schafft sie, ich bin mir sicher, glaube
mir. Mit diesen Worten gelingt es Gabi nun doch mich ein ganz klein `wenig abzulenken,
aber nicht zu beruhigen. Wir erreichen das Klinikum.
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Kapitel 8
Die Fehldiagnose!?
Samstag, 01. Februar 1997, gegen 20.45 Uhr. Wieder in dem Klinikum, aus das
Anke erst gestern entlassen wurde, stehe ich mit Gabi zitternd an dem Schalter
der Notaufnahme, frage nach Anke. Wir werden zu ihr geführt. Sie liegt
in einem Raum auf einer Liege, eine Infusion läuft, an Geräten angeschlossen.
Die Augen halb geöffnet sieht sie nicht gut aus, hat Schmerzen. Ein Arzt
ist weit und breit nicht zu sehen. Leise sagt sie uns das sie friert, zittert.
Wir schauen uns um, suchen nach einer Decke, finden keine. Gabi legt ihren Mantel
auf Anke, deckt sie zu. Die Frage wie es ihr geht stelle ich nicht, ist überflüssig.
Ich gehe zurück zur Schwester an den Schalter und frage nach einem Arzt,
der kommt gleich, ist die Antwort. Zurück bei Anke nehme ich ihre Hand,
spreche mit ihr, besser gesagt zu ihr, das Antworten fällt ihr sichtlich
schwer. Zwanzig Minuten vergehen, nichts geschieht, kein Arzt, keine Schwester
lassen sich blicken! Ich beginne ungeduldig zu werden, gehe wieder nach vorne,
frage noch mal, jetzt schon recht ungehalten versuche ich aber trotzdem freundlich
zu wirken. Es sind heute Abend nur zwei Gynäkologen hier, beide haben zu
tun, sind im Kreissaal, kommen dann sofort, ist die Antwort. Unbefriedigt mit
dieser Aussage gehe ich zurück. Ich verstehe die Welt nicht mehr! Auf einem
Tisch neben Anke liegt ein Blatt Papier, das Krankenblatt von ihr. Ich beginne
zu lesen. Was ich hier zu lesen bekomme verschlägt mir die Sprache, etwas
für mich unglaubliches steht dort geschrieben, wie gesagt, immer noch in
der Notaufnahme, 45 Minuten kein Arzt zu sehen. Es steht u. a. geschrieben:
Zitat: Patientin ist orientiert, bekannte Psychose u. Totgeburt. Zur Beobachtung,
ggf. psychiatrische Verlegung. Unterschrift, Arzt. Weiter: Deutlich verlangsamt,
Peristaltik spärlich, Hemiplegien? Sehstörungen." Weiter einige
Werte. Die Wichtigsten, so weiß ich heute erst, waren diese: C R P: 474,5
Leuko: 36,9. Zitat ende! (Auch erst heute kenne ich die max. Grenzbereiche dieser
Werte: CRP - 5.0, Leuko: 9.0!!!) Wieso Psychiatrie, sind die noch ganz bei Trost,
was soll das, Anke liegt hier, hat Schmerzen, ist zusammengebrochen und die
schreiben von Psychiatrie, die spinnen wohl, ich konnte es nicht verstehen,
Anke war doch nicht verrückt!! (Schon hier, zum besseren Verständnis
die Erklärung der Begriffe, entnommen aus dem bereits erwähnten Buch,
Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke.) Peristaltik: f: Misch.
Und Transportbewegungen von Hohlorganen durch streckenweise fortschreitendes
Zusammenziehen, z. B. Magen - Darm - Trakt, Harnleiter, Speiseröhre."
Hemiplegie f: Halbseitenlähmung, motorische Lähmung einer Körperhälfte."
Zitat ende.) Zu dem jetzigen Zeitpunkt konnte ich auch noch nicht wissen was
diese, wie vor, beschriebenen Begriffe bedeuten, ich war nur verwundert, wütend
über die ggf. psychiatrische Verlegung"!! Als ich so da stehe
und lese, es sind mittlerweile wieder so ca. 15 Minuten vergangen, kommt die
Ärztin herein, die Ärztin welche Anke doch erst gestern entlassen
hatte. Daß, was ich gerade gelesen hatte, erst ein mal vergessen, fragte
ich was denn eigentlich los sei. Die Ärztin, eine Gynäkologin, beruhigt
mich Es hat etwas mit dem Kreislauf zu tun, die Werte sind zwar viel zu
hoch, doch nach der Totgeburt hätte man das schon ein mal. Wir bringen
sie jetzt erst ein mal auf die Station, sehen dann weiter." Wir setzen
Anke in einen Rollstuhl, ich fahre sie, die Ärztin und Gabi neben uns gehend
rollen wir in Richtung Lift, fahren nach oben auf die Station. Oben angekommen
versuchen wir Anke in ein Bett zu legen. Es ist auffallend, Anke verwechselt
rechts und links, die Motorik scheint irgendwie nicht zu stimmen, denke ich,
meine Angst wird größer, versuche Anke nichts anmerken zu lassen.
Ein weitere Arzt, ein Gynäkologe, bekannt von den Tagen zuvor, betritt
das Zimmer, nehmen Anke im Bett liegend mit in einen Behandlungsraum, ich muß
draußen warten. Es ist mittlerweile ca. 22.00 Uhr. Gabi muß gleich
nach Hause fahren, morgen früh wieder zur Arbeit. Es kommt mir in den Sinn
Susan anzurufen, sie ist zwar gerade in ihren freien Tagen" zu Hause
in Hessen, doch ich entscheide mich zu diesem Schritt. Schnell laufe ich in
die Eingangsebene zum Telefon. Ich komme sofort, bringe Jens mit, so die kurze
aber hilfreiche Antwort. Froh die Gewißheit zu haben nicht weiter alleine
zu sein, Gabi, Susan, Jens, Ramona, sie alle wollen helfen, gehe ich zurück.
Gerade als ich wieder auf der Station ankomme, Gabi sitzt vor dem Behandlungsraum,
ein lauter Schrei, es wird mir ganz übel, - Anke, was machen die nur frage
ich voller Angst? Irgendwann geht die Tür auf, schieben Anke an mir vorbei.
Wir haben Ihre Frau noch mal vaginal untersucht, es scheint soweit alles
in Ordnung zu sein, gynäkologisch können wir uns das nicht erklären,
wir machen jetzt noch ein Kopf-CT. Es dauert wieder eine Zeit, sie kommen
zurück, auch hier ist nichts zu finden, so ihre Aussage. Nun kommt ein
Internist mit einem Schallgerät, auch hier; kein Befund. Susan und Jens
sind mittlerweile eingetroffen, es ist jetzt ca. 00.45 Uhr, Sonntag Morgen,
02. Februar 1997. Ich sitze mit den Beiden, Gabi ist nach Hause, auf dem Flur
als sich eine Tür öffnet. Der Stationsarzt kommt auf uns zu, sagt
folgendes zu uns DREI: Ihre Frau ist organisch gesund! - Es ist eine Wochenbettpsychose!"
Im ersten Augenblick bin ich etwas ruhiger, denke, eine Psychose geht irgendwann
wieder, Hauptsache nichts organisches. Kommen Sie bitte mit, ich möchte
das Weitere mit Ihnen besprechen, fährt er fort. Der Arzt und ich gehen
in ein kleines Zimmer, wiederholt noch mal die eben, wie auch bereits vor Susan
und Jens geäußerte Diagnose, sagt mir weiter das Anke morgen früh
in eine Psychiatrie verlegt würde, (Ohne meine Zusage, weder schriftlich,
noch mündlich!) , gibt mir die Telefonnummer und die Adresse des Hauses.
Sollte sich heute Nacht nichts dramatisches ändern, so wissen Sie nun wie
es weitergeht, können dort Morgen zu Ihrer Frau fahren. So, und mit diesen
Aussagen verabschiedete ich mich, gehe zu Anke, wollte sie mit den Worten, alles
wird gut, mach Dir keine Sorgen, morgen früh bin ich wieder bei Dir, beruhigen,
schweren Herzens verließ ich das Klinikum.
Zu Hause angekommen legte ich mich ins Bett, ausruhen, schlafen konnte ich sowieso
nicht. Meine Gedanken waren bei Anke, wie geht es ihr, hat sie Schmerzen, wie
soll alles weitergehen? Als ich so da liege, das Telefon - mein Herz schlägt
wie wild, sofort kommen mir die Worte ins Ohr, sollte sich heute Nacht nichts
dramatisches ereignen .......
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ISBN 3-00-006662-4
Hinweis:
Das Buch wurde noch zu Lebzeiten meiner Frau geschrieben,
es war Ihr ausdrücklicher Wunsch!
(Erstauflage im Eigenverlag: Dezember 1999)
Es beschreibt die Zeit des Behandlungsfehlers und danach.
Ein - letzter Wille von ihr war, dass ich dieses fortsetze.
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