Lieber Herr Kordes, liebe Angehörige,
eigentlich verbieten sich heute
hier am Grab viele Worte, auch ich
sollte schweigen. Denn eine Antwort auf die Fragen, die sich in jedem
von uns seit dem Tod von Anja Kordes aufbäumen, eine Antwort auf diese
Fragen nach dem WARUM ihrer schweren Leidenszeit habe ich nicht.
Die ganze letzte Woche lässt auch mich der Gedanke an diesen Tod nicht
los. Auch ich selbst suche Worte die mich trösten können.
Im 2. Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth las ich:
Wir glauben und darum reden wir. Denn wir wissen, dass der, welcher
Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und zusammen mit
euch vor sein Angesicht stellen wird.
(1 Kor 4, 13-14) Das ist unser Glaube, und wenn er heute hier nichts zu
künden hätte, was wäre er dann? Wenn heute diese Gewissheit
nicht laut
würde, wann dann?
Der Tod bringt alles Gerede zum Verstummen. Ihn vor Augen, seinen
Schmerz im Herzen, können keine Reden gehalten werden. Wenn ich dennoch
nach Worten suchte, dann weil der glaubende Paulus so mutig schreibt:
Wir glauben und darum reden wir.
Und er ermutigt mich zu sagen: Ich glaube auch, und darum rede ich
heute, darum bete ich heute mit ihnen allen für die Verstorbene.
Das Zweite, das mich ermutigt zu reden, sind die Gespräche mit Ihnen,
Herr Kordes, ihr erzählen. Sie mussten nicht nur den Tod ihrer Frau
hinnehmen, sie erlebten und begleiteten auch ihr sterben. Vielleicht hat
so der Tod für sie etwas von seinem Schrecken verloren, denn was für
uns
so grausam und unerträglich erscheint, wurde für sie auch zum Erlebten
großer Liebe und tiefer Verbundenheit. Der Tod, da gibt es nichts zu
beschönigen, dieser Tod Ihrer Frau das ist ein schmerzender, trauriger
Verlust und eine tiefe Wunde im Herzen, die weh tut, vielleicht ein
Leben lang. Da hilft kein Trostpflästerchen, auch kein frommes. Auch
für
Sie, Herr Kordes, wurde das sterben Ihrer Frau mehr: Vergewisserung
Ihrer gegenseitigen Liebe und Treue, Vergewisserung eines tiefen
Geheimnisses des Lebens, das tiefer reicht, als vieles, was uns
alltäglich so vorgeführt wird. Vieles ist in den letzten Monaten
und
Wochen schal geworden für Sie, was sonst wichtig ist. Sie erfuhren auch
Vieles, was nicht trägt, was nur wichtigtuerischer Schein oder gar Lug
und Trug ist. Und anders ist Ihnen wichtig und möglich geworden, was
Sie
nie für möglich hielten: Große Nähe, tiefe Liebe, Treue
und kämpfende
Pflege, loslassen und das wünsche ich Ihnen glaubendes Hinausblicken:
d.
h., dass wir unter Schmerzen, notgedrungen und todesgewiss, Nicht auf
das sichtbare starren, sondern auf das Unsichtbare ausblicken, wie es
der Apostel Paulus sagt. Und dieses Unsichtbare hat eine größere
Wahrheit in sich als das viele Sichtbare, um das wir uns ständig
bemühen.
Dieses Unsichtbare, nachdem wir ausblicken, das hat für mich mit der
Suche nach dem was trägt im Leben zu tun, es ist das Echte im Leben,
die
Liebe, die treue Liebe füreinander, die verschenkt, auch sich selbst
verschenkt. Es ist die Gottesliebe in uns, die uns hält und tröstet,
die
unser aufgewühltes Herz zur Ruhe bringen kann....
Der Tod bringt uns zum schweigen, solcher Tod wie dieser von Anja Kordes
allemal, uns und aller Weltvernunft, auf die wir so stolz sind und die
einst so viel vermag. Vielleicht vermögen wir aber stiller geworden
zu hören, die leise und vorsichtige Botschaft von der Auferweckung Jesu
und die Hoffnung, dass er der erste war und an uns dasselbe Wunder
geschieht. Vielleicht vermögen wir schweigsamer geworden
zu glauben,
Gott zu glauben, dem Lebendigen lebensschaffenden Gott Jesu Christi zu
trauern: Euer Herz sei ohne Angst. (Joh 14,1) Und vielleicht vermögen
wir Liebzugewinnen und zu lieben, weiter oder neu Liebzugewinnen die
Menschen um uns und unser zerbrechliches Leben, weil Gott es trotz des
Todes, trotz dieses Todes mit uns lebt. Amen.
Gebet
Gott, wir verstehen diesen Tod nicht!
Und doch möchten wir vertrauen auf dein Wort.
Wir möchten glauben an dein Leben.
Du hast deinen Sohn auferweckt vom Tod.
Erwecke auch Anja Kordes und schenke ihr ein neues und ewiges Leben,
das du uns allen verheißen hast in der Gemeinschaft deines Reiches.
Amen
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